[ home: http://www.bkb.eyes2k.net ]



Dr. Birte Kleine-Benne:
Ceci n'est pas une page Web. Kunst- und Medieninterferenzen


Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften
Institut für Kunstgeschichte
Vortrag: 25.01.2011, 18h, Institut fuer Kunstgeschichte, Zentnerstr. 31, Raum 007
Workshop: 26.01.2011, 10-18h, Vortragsraum des IBZ (Internationales Begegnungszentrum), Amalienstr. 38



VORTRAG



1. Paradigmen-/Matrixwechsel?
"Wir müssen unsere Matrix neu definieren und zu diesem Zweck neu erkunden." (Dirk Baecker)

2. Bildwechsel?

3. We'll need to rethink...?



"Wir haben es mit nichts Geringerem zu tun als mit der Vermutung, dass die Einführung des Computers für die Gesellschaft ebenso dramatische Folgen hat wie zuvor nur die Einführung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks." (Baecker 2007, S. 7)

Dirk Baecker: Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt/Main, 2007.
Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/Main, 1997.

Tod durch Multitasking, 17.1.2011, spiegel online >>


Vier Medienepochen der Gesellschaft:
- die Stammesgesellschaft in der Auseinandersetzung mit der Einführung der Sprache,
- die antike Hochkultur in der Auseinandersetzung mit der Einführung der Schrift,
- die moderne Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit der Einführung des Buchdrucks und
- die nächste Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit der Einführung des Computers und seiner Derivate.
(Baecker 2007)

Film Next City from Graz Reininghaus on Vimeo.



Die Next Society wird sich "in allen ihren Formen der Verarbeitung von Sinn, in ihren Institutionen, ihren Theorien, ihren Ideologien und ihren Problemen, von der modernen Gesellschaft unterscheiden". (Baecker 2007, S. 8), ausserdem: Infrastrukturen, Speicherung und Gedächtnis...




Vilém Flusser: Krise der Linearität, Bern, 1988.

"Hypothese: Die hier zu unterbreitende Hypothese lautet: Die okzidentale Kultur ist ein Diskurs, dessen wichtigste Informationen in einem alphanumerischen Code verschlüsselt sind, und dieser Code ist daran, von anders struktierten Codes verdrängt zu werden. Falls die Hypothese zutreffen sollte, dann wäre in naher Zukunft mit einer tiefgreifenden Veränderung unserer Kultur zu rechnen. Die Veränderung wäre tiefgreifend, weil unser Denken, Fühlen, Wünschen und Handeln, ja sogar unser Wahrnehmen und Vorstellen, in hohem Grad von der Struktur jenes Codes geformt wird, in welchem wir die Welt und uns selbst erfahren. [...] Sollten unsere Kinder und Enkel die Welt und sich selbst mittels anders struktierierten Codes (etwa mittels technischen Bildern wie Fotos, Filmen und Fernsehen, und mittels Digitalisation) erfahren, dann wären sie anderes in der Welt als wir es sind und als es unsere Vorfahren waren." (Flusser 1988, S. 7)

Jeremy Rifkin: Access. Das Verschwinden des Eigentums, 2000 (engl. 2000).

Maurizio Lazzarato, Europäische Kulturtradition und neue Formen der Produktion und Zirkulation des Wissens, 1999 >>

Marshall McLuhan: Magische Kanäle, Düsseldorf/Wien, 1968 (eng. 1964).
"Es ist wie ein Unterschied zwischen einem Eisenbahnnetz und einem elektrischen Gitternetz: Das eine macht Kopfbahnhöfe und große Städtezentren erforderlich. Die elektrische Energie, die dem Bauernhof wie den Verwaltungsbüros in gleicher Weise zur Verfügung steht, macht es möglich, dass jeder Ort zum Zentrum wird, und verlangt keine massiven Anhäufungen." (McLuhan 1968)



Personal Computer 2002 >>
The exploding Internet 2008 >>
Internet User 2002 >>
Internet User 2009 >>
Internetuser Deutschland 2009 >>


Quelle: Ofcom Studie, 2010 >> (found here >> )




Quelle: Ofcom Studie, 2010 >> (found here >> )



Mairal, Pedro: Das fehlende Jahr des Juan Salvatierra, 2010 (sp. 2008).



"Es muss zeigen, was es leistet; es muss anfangen etwas zu organisieren; es muss riskieren zu scheitern; und all dies in der Form eines Prozesses, der sich seine Mittel selbst schafft." (Baecker 2007, S. 187)

Flusser, Vilém: Kommunikologie, 1998 .
Flusser, Vilém: Medienkultur, Frankfurt/Main, 1999.


Quelle: Flusser 1998.

Mediengeschichtliches Panorama:
Von der ersten Stufe des konkreten Erlebens (Vierdimensionalität)
zur zweiten Stufe des Herstellens und Benutzens von Gegenständen (Dreidimensionalität)
zur dritten Stufe der traditionellen Bilder (Zweidimensionalität)
zur vierten Stufe der Erfindung der linearen Schrift (Eindimensionalität)
zur fünften Stufe der Erfindung der technischen Bilder (Nulldimensionalität), der Stufe des Kalkulierens und Komputierens



Boehm, Gottfried (Hrg.) 1994: Was ist ein Bild? Muenchen.
Mitchell, William J.T.: Iconology, 1986.
Mitchell, William J.T.: Picture Theory, 1994.
Mitchell, W.J.T.: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur, Muenchen, 2008.
Belting, Hans: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München, 2001.



Der Ausdruck 'technisches Bild' wird zur Bezeichnung von Bildern mit technischem Inhalt verwendet sowie zur Bezeichnung von Bildern, die einen technischen Bildträger besitzen oder durch einen technischen Apparat erzeugt wurden: fotografisch, filmische, elektronische Bilder, ebenso wie Röntgenbilder, Infrarotbilder, Ultraschallbilder.
Roesler/Stiegler (Hrg.) 2005: S. 37.

Bildkultur der digitalen Medien:
- Bild als Rechengröße
- Bild wird elektronisch erzeugt: Pixel (picture elements)
- Bild als Ansammlung fraktaler Einzelelemente, die durch (Komputation) zusammengesetzt werden
- Bild verfügt über eine lesbare Struktur (Source-Code)
- Bild haben Doppelstruktur: Ebene der Benutzeroberfläche und Ebene zur Verarbeitung durch den Apparat
- Bedeutungsabgrund durch die Hardware und deren unterschiedliche Sprachen
- Source-Code + Ansammlung von Daten, die durch Rechenprozesse umgewandelt werden
- Sichtbarkeit des Bildes in Abhängigkeit von Algorithmen: Vielzahl von Versionen
- Bild als Organisation und Ordnung von Daten
- Bild als zweidimensionaler Stau im n-dimensionalen Datenuniversum
- Wahrnehmung bestimmt durch Trägheit der sinnlichen Wahrnehmung
- Bruch zwischen Wahrnehmung und dem Objekt der Wahrnehmung
- Sinneswahrnehmung auf eine von Apparat+Wahrnehmungsorganen produzierte Medienwirklichkeit gerichtet
- Bild als produktive Dimension
- Bild auf Datenträger gespeichert
- Bild(-bedeutung) in Abhängigkeit von den technischen Bedingungen seiner Produktion, Distribution, Rezeption
- Organisation von Aufmerksamkeiten
- Übertragungsformen - ...



Im ZA elektronischer Medien und des Internet haben sich kulturelle Praktiken etabliert, die mit den materialen Praktiken früherer Kulturtechniken wenig zu tun haben: Sie sind gekennzeichnet durch die Flüchtigkeit performativer Prozesse:

"Werk" --> Work in Progress in der zeitgenoessischen Kunstpraxis:
- temporaere, prozessuale und dynamische Ergebnisse
- von den Beteiligten nur teilweise zu beeinflussen und nur teilweise intendiert
- disziplinlos: transitorisch (voruebergehend fluechtig), transitiv (die Systeme durchquerend) und transversal (quer zu den Systemen verlaufend)
- verschiedene Medien, Materialien, Gattungen, Genres...

"Urheber" --> Autorenschaften in der zeitgenoessischen Kunstpraxis:
- selbstautorisierte, selbstbestimmte und selbstorganisierte Projekt- und/oder Prozessbeziehungen
- uneinheitlich, fluid, temporaer, verteilt in verschiedenen Konstellationen
- je nach Thema unter Einbindung unterschiedlicher Techniken und Technologien
- Teilnehmer, Informationen, Mitteilungen, soziale Beziehungen, Techniken, Technologien verschmelzen miteinander
- manchmal begrenzt, manchmal unbegrenzt, manchmal lokal, manchmal global
- vielfaeltige Bezeichnungen, Konstellationen und Konfigurationen
- synchron uneinheitliche Erfahrungen
--> konnektive Aggregationen menschlicher und technischer Akteure (siehe Kleine-Benne 2010 >> )



Debray, Régis 1999 (frz. 1992): Jenseits der Bilder. Eine Geschichte der Bildbetrachtung im Abendland, Rodenbach.
Hartmann, Frank 2003: Mediologie. Ansätze einer Medientheorie der Kulturwissenschaften, Wien
Forum Mediologie >>



Wachter/Jud: picidae, seit 2007 >>











WORKSHOP



mwesch, 2007.



mwesch, 2007.

"We'll need to rethink a few things:
Copyright, authorship, Identity, ethics, aesthetics, rhetorics, gouvernance, privacy, commerce, love, family, ourselves."





Quelle: Klaus Merten, Siegfried J. Schmit, S. Weischenberg (Hrg.) 1994:
Die Wirkichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen , S. 142.



Was sind eigentlich "Medien"? Philosophische, historische und theoretische Anmerkungen

- Medienbestimmung
Was kommt als Medium in den Blick und welche Bestimmung wird dem Medialen zugedacht?

- Mediengenese
Setzt Mediengeschichte zu einem bestimmten Zeitpunkt der Menschheitsentwicklung ein und beendet einen davor liegenden a-medialen Zustand?
Oder ist Menschheitsgeschichte per se Mediengeschichte, weil Mensch, Kultur und Geschichte ohne Medien nicht denkbar ist?

- Konstitutionsleistung bzw Konstituierungsqualitaeten von Medien
Welcher systematische, qualitative Status ist den Medien und ihren Konstitutions- und Formatierungsleistungen zuzuschreiben?

- Selbst- und Weltverstaendnis
Welches Selbst- und Weltverstaendnis offenbart sich bzgl der Einschaetzung der Kulturleistung von/durch Medien (Stichwort medienpessimistisch bis -euphorisch)?



"Ein Medium ist (topologisch) ein Ort (eine Mitte) der (transzendentalen) Vermittlung (Repräsentation vs. Konstruktion) von (textuell) Vermitteltem (in den semiologischen Hierarchiestufen Daten, Informationen, Wissen) auf der Basis technischer Mittel (vom Buchdruck bis derzeit zum Computer). " (Weber 2001, S. 28)

"Ein Medium muss Aspekte der Mitte, des Mittels, der Vermittlung und des Vermittelten enthalten, um im medienwissenschaftlichen Sinne ein Medium zu sein." (Weber 2001, S. 22)

"Sobald sich mindestens ein Aspekt (Mitte, Mittel oder Vermittlung; die Inhaltsebene wird hier ausgeklammert) nachhaltig verändert, kann man von einem neuen Medium sprechen." (Weber 2001, S. 31)

"Medien sind Strukturen (materielle oder nicht, technische oder nicht), in denen Codes funktionieren. Danach sind Telefon und Schulklassen, der Körper und der Fussball Medien:
sie erlauben Codes zu funktionieren, und zwar jedes Medium auf seine spezifische Weise." (Flusser 1998, S. 271)

Medien als Ausweitungen "nicht nur unserer Privatperson, sondern unserer Person als Teil der Gesellschaft", mediale Techniken als "Träger der Organisation unserer Kultur".
Medien sind "mit ihrem Vermögen, Erfahrung in neue Formen zu übertragen, wirksame Metaphern", sie wandeln vertraute Erfahrung in neue Formen um, "Nährboden für neue Fertigkeiten und Erfahrung". (McLuhan 1964, S. 96f)

Medien als
- Medium-/Form-Unterscheidung
- Erfolgsmedien
- Verbreitungsmedien



Die Welt nach Cablegate, Work-in-progress, Berliner Gazette >>



Theories of Media, The University of Chicago >>



McLuhan 1968 (eng. 1964): Das Medium ist die Botschaft >>

McLuhan 1968 (eng. 1964): Heiße Medien und Kalte

Deleuze/Guattari 1977 (frz. 1976): Rhizom

Flusser 1983: Für eine Philosophie der Fotografie

Flusser 1988: Krise der Linearität

Kemp 2001: Kontexte. Für eine Kunstgeschichte der Komplexität

Manovich 2001: The Language of New Media >>

"Bilder, technische" aus: Roesler/Stiegler (Hrg.) 2005: Grundbegriffe der Medientheorie



Weitere Grundlagentexte: (eine Auswahl)

Vannevar Bush 1945: As We May Think

Alan Turing 1950: Computing Machinery and Intelligence

Nam June Paik 1966: Cybernated Art

Jean Baudrillard 1972: Requiem for the Media

Theodor H. Nelson 1970-1974: Computer Lib / Dream Machines

Deleuze/Guattari 1980: A Thousand Plateaus

Bill Viola 1982: Will There Be Condominiums in Data Space?

Donna Haraway 1985: A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism

Richard Stallman 1985: The GNU Manifesto

Bill Nichols 1988: The Work of Culture in the Age of Cybernetic Systems

Lynn Hershman 1990: The Phantasy Beyond Control

Stuart Moulthroup 1991: You Say You Want a Revolution? Hypertext and the Laws of Media

Critical Art Ensemble 1994: Nomadic Power and Cultural Resistance

Tim Berners Lee u.a. 1994: The WorldWideWeb











Konzept

Literaturempfehlungen







email: b k b [at] e y e s 2 k . n e t

spam-protection: 1. without spaces 2. change [at] to @